Briefe an Freunde, Moskau (Norbert Schott)

Ein paar Anekdoten über uns selbst

06. Dezember 2002
  • Alles fing an mit einem Stöpsel. Fragt man Russen nach diesem Gegenstand, bekommt man meist zu hören: "Ja, ich habe sowas mal gehört - aber noch nie benutzt." Wasser ist billig, also läuft es beim Abwaschen durch. Das widerstrebte uns, also ging das Basteln los. In der Wanne dient uns nun ein alter Waschmitteltubenverschluss mit Klebeband als Stöpsel, im Waschbecken nutzen wir eine Filmdose mit Pflaster. 
  • Unsere Schränke hatten keine Regalbretter. Zum Glück ging eines nachts die Tür vom Partyraum im sechsten Stock in die Brüche, zeitgleich fand sich eine Säge in den Küchen-Baustellen - fortan hatten wir Regalbretter. 
  • Nur halt keine Küche. Ab und zu wünscht man sich aber wenigstens ein gekochtes Ei. Dafür braucht man kochendes Wasser - das liefert der Wasserkocher im Zimmer. Leider schaltet sich das Gerät nach zehn Sekunden Brodeln ab - es sei denn, man legt wie Siegfried kurzerhand einen Tetrapack Apfelsaft auf den Schalter. Funktioniert tadellos! 
  • Blumenuntersetzer lassen sich prima aus mit dem Feuerzeug erhitzten Colaflaschen basteln. 
  • Einen Deckenstrahler hat Siegfried aus unserer ungenutzten Nachttischlampe - ja, solch eine wundersame fass-mich-an-und-ich-leuchte-Lampe - gebaut. Einfach den Schirm umdrehen, ein paar Halterungen anbringen und dann ab auf das Regal - fertig. 
  • Die Fenster haben wir in einem Raum mit deutschem Abdichtband frostsicher gemacht. Leider ist dies nun alle. Also hat Christian für das zweite Zimmer in der Uni Schaumstoffstreifen bekommen, die er nun kurzerhand mit Malerkrepp vor die Ritzen kleben soll. 
  • Die Kröhnung sind unsere Betten. Diese hängen so durch, dass man für einen erhöhten Kopf kein Kopfkissen braucht. Nach ewigen Experimenten mit Stricken und Streben habe ich mir nun irgendwo Obstkisten geholt, diese auseinandergenommen, jeweils zwei Bretter mit Klebeband zu einer langen Leiste verbunden und mir so einen Lattenrost gebaut. Ein Traum für süße Träume. 
  • Als Letztes habe ich nun noch festgestellt, dass wir wahrscheinlich auch noch etwas zum Haareschneiden erfinden müssen. Die liebe, nette und sehr billige Friseurtante hier versteht einfach nicht, dass lange haare keinen Scheitel haben müssen - dementsprechend zerhackt sehen meine Haare seit zehn Minuten aus. 


P.S.: Noch zwei Wörter zum Abschluss. Klebeband: скотч ("skotch"). Eine Kopie machen: делать ксерокс ("djelat' kseroks").