Briefe an Freunde, Moskau (Norbert Schott)
Grüße vom Schwarzen Meer
"Fürchtest du dich nicht alleine?" "Nein! Wieso, gibt es einen Grund dafür?" "Nein, nichts kann passieren."
Der wohl häufigste Dialog in den letzten Tagen, auf meiner Kurzreise durch den Kaukasus. Gefährlich kam es mir wirklich fast nie vor - mal von diesem schnuckeligen Internetcafe hier in Sotchi abgesehen. Es ist eine enge, muffige Bude voller Rechner, aus allen Ecken ballert und knallt es. Die zocken wie die Wilden, echt erstaunlich, wie schnell die in Counterstrike agieren können! Auf 30 Quadratmetern stehen 24 Rechner, dazwischen noch zwei Gänge. Wer sich ein Bild machen will: www.ultima.sochi.ru - links gibt es die rubriken Игрушки (vierter Punkt) und Рэйтинг игри (fünfter Punkt).
Jedenfalls hat mich spontan die Reiselust gepackt und ich bin in den Süden gefahren. Im Zug (30 Stunden) tauchte übrigens die einzige wirklich besorgte Frau auf, eine Extrem-Christin. Sie schrieb mir dann auf einen Zettel: "Sie werden dich töten, du bist Zielscheibe. Steige bitte vorher aus!" Dreimal Durchatmen und Kopfschütteln!
Astrachan war der Startpunkt der Tour - dort mündet die Wolga in das Kaspische Meer. Eine nette Stadt, viele alte Häuser, viel Grün. In einer Moschee gabelte mich der obligatorische Einheimische auf und zeigte mir Alles.
Mitten in der Platten Steppe lag dann Elista, die Hauptstadt der Republik Kalmükien. Die Hälfte der Bewohner sind Mongolen, neben Lenin stehen also Budda-Statuen und asiatische Bögen. Am Budda gabelte mich der obligatorische Einheimische auf und zeigte mir Alles. (Er musste mir unbedingt noch Reiseproviant schenken. Vorher hatte er mir beim Tee erklärt, dass er sich Zucker nicht leisten kann - 50 Cent das Kilo.)
Spontan bin ich dann noch nach Mineralnije Wodi - dort wo immer die flugzeuge hin entführt werden. Um fünf stand ich plötzlich auf einem verlassenen Busbahnhof. Bis zum Tagesanbruch habe ich mich dann doch lieber in ein Buffet verzogen. Ein hässlicher Nebel hätte den ausflug fast sinnlos gemacht, aber plötzlich lichtete es sich und man konnte sogar den höchsten Berg Europas sehen. Der Elbrus liegt diesseits der kaukasischen Wasserscheide und toppt den Mont Blanc flott mit 5500 Metern!
Letzter Ausflugspunkt war dann Sotchi ... Hier kann man noch im T-Shirt an der Promenade langspazieren. Viele Parks, alles chic ... Man mag garnicht glauben, dass man in Russland ist. Heute war es leider nicht mehr sonnig, aber noch immer warm. Also bin ich wandern gegangen, auf den lokalen Berg. Dort gabelten mich die obligatorischen Einheimischen auf und zeigten mir gleich noch ein paar andere Sehenswürdigkeiten. (Ganz einheimisch waren sie nicht, ich habe jetzt eine Einladung nach Uljanowsk.)
Nun gut, noch eine neue Rubrik: Russische Lieblingswörter! Die Sprache ist wirklich der Hit. Man kann einfach aus jedem Wortstamm jede Wortart bilden. Also gibt es beispielsweise "du fehlerst" ("ты ошибаешься"). Noch besser sind aber die -nik's und -naja's, beispielsweise der "подсвечник" ("unter-kerzen-erich", kerzenständer).
Soviel aus dem warmen Süden. In wenigen Minuten geht es zum Zug (32 Stunden) ... Zurück ins kalte Moskau.