Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)
Fahrstühle im Frost
Zwar war es zwischenzeitlich in Sachsen kälter als in Sibirien, aber im Großen und Ganzen merkt man doch, dass es auch in Sibirien kalt ist. Beispielsweise durften es kurz nach Neujahr meine Zehen zu spüren bekommen - die ich vier Stunden lang in Skistiefel gequetscht hatte, um auf einem wunderschönen Bergkamm Ski zu fahren. Die Zehen fanden den Wind auf dem Bergkamm weniger schön und haben protestiert.
In der Folge ärgerte ich mich drei Wochen mit Erfrierungen zweiten Grades herum. Zum Glück gibt es auf dem Markt schöne große Filzstiefel ("Walenki"), in welche ich auch mit Frostblasen hineinpasste. Normalerweise trägt man Walenki nur auf den Dörfern - wo es richtig kalt ist und hoher Schnee liegt. In der Stadt sorgte ich nun für ihre Verbreitung. So wie mich alle anschauten - Walenki im Kino, cool - habe ich unfreiwillig einen Modetrend begründet und nächstes Jahr wird der Absatz von Walenki in die Höhe schnellen.
Dank der Walenki und vorsichtiger Massage der Füße mit Wodka - trinken wurde mir übrigens verboten - haben es auch es auch alle Zehen überstanden.
Und so kann ich auch den Winter wieder genießen. Im Moment liegt hier ein knapper Meter Schnee - nur von den Straßen wird er fleißig weggefahren. In vielen Stadtvierteln stehen Schnee- und Eisskulpturen - in diesem Jahr natürlich vorzugsweise Rindviecher, da in China das Jahr des Büffels angebrochen ist. Noch immer kann mir niemand erklären, warum in Russland der chinesische Kalender eine Rolle spielen muss, aber ich bin schon ganz gespannt auf die Schnee-Häschen in zwei und die Schlangen in vier Jahren!
Mit dem Winter hat auch die Hochtechnologie im Novosibirsker Nahverkehr Einzug gehalten - es gibt nun zwei Haltestellen mit dynamischen Anzeigen, wann der nächste Bus kommt. Das allein wundert mich noch nicht, aber sie funktionierten sogar ganze drei Tage! Es kam tatsächlich ein Bus zur angezeigten Uhrzeit. Am vierten Tag war die Anzeige dann kaputt.
Auch in unserem Haus gibt es eine Neuerung - unsere Fahrstühle wurden gekoppelt! Unsere lieben Mitbewohner hatten zwei Jahre lang stets beide Fahrstühle gerufen, obwohl zumindest in den Lastenlift definitiv jeder Hausbewohner reinpasst. Nun wurden der Hausverwaltung die Stromkosten zu hoch. Die Aufgabe, die Fahrstühle zu koppeln, überforderte den Programmierer zunächst. Knöpfe, Lämpchen und Lifte führten ein Eigenleben - drücke Knopf 1, wenn nichts passiert, drücke Knopf 2, vielleicht leuchtet dann Lämpchen 1 oder 2 und der andere Lift kommt. Inzwischen klappt aber alles prima, egal welchen Knopf man drückt, es leuchten beide Lämpchen und der nähere Lift kommt. Nur die Mitbewohner schimpfen, weil sie nicht mehr beide Lifte rufen können und sich einbilden, dass sie deswegen nun länger warten müssen.
Im Anhang noch ein paar Bilder, nicht vom Lift, sondern vom Schnee in Novosibirsk.