Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)

Mail für alle mit Kindern: Wickeln, Spazieren und Reflexe

17. Oktober 2010

Arthur wächst fleißig - er ist inzwischen elf Monate alt, läuft alleine durch die Wohnung und kann auf Kommando in den Topf machen. Wie kam es dazu?

Ein großer Unterschied zwischen Russland und Deutschland ist, dass man Kinder hier noch ganz klassisch wickelt. Die ersten Tage, Wochen oder Monate - je nach Weltanschauung der Eltern - werden die Kinder eng in große Tücher gewickelt. Es mag sich brutal anhören, dass das Kind seine Arme und Beine nicht frei bewegen kann - aber so dumm ist die Idee gar nicht. Denn im Bauch der Mutter war es ja auch nicht sonderlich geräumig, und die engen Tücher geben ein Gefühl, was jenem im Bauch relativ nahe kommt.

Ein weiterer Unterschied ist, dass man hier auch bei Frost mit einem Baby spazieren geht - was bleibt einem auch anderes übrig. Arthur - ganz nach meinem Vorbild 1978/79 - hatte sich 2009/10 einen besonders kalten Winter herausgesucht. Volle drei Monate waren es unter minus 20 Grad. Ein Vierteljahr nur in der Wohnung geht natürlich nicht. Also Windel, Strampler, Wickeltuch, Decke und darüber eine dicke Winterkombination - und raus in den Park. Ab 30 Grad sind wir dann aber doch nur noch um das Haus gelaufen und haben alle fünf Minuten die Wangen des Kleinen überprüft.

Unterschied drei ist eine Besonderheit, die hier in den letzten Jahren in einigen (!) Familien modern geworden ist: Man versucht, die Kinder per Reflex so früh wie möglich trocken zu bekommen. Bereits mit wenigen Wochen beginnt man, in dem Moment, wenn der Nachwuchs in das Wickeltuch macht, ihm die Worte "Pies, pies, pies" in die Ohren zu säuseln - die Übersetzung kann ich mir ja wohl sparen. Die Idee ist, dass es später auch anders herum funktioniert - man hält den Wicht über eine Schüssel, sagt "pies, pies, pies" und los geht es. Klingt albern? Die letzte Windel liegt bei uns drei Monate zurück, große Geschäfte gehen prinzipiell in die Schüssel und kleine vielleicht noch drei mal am Tag daneben - meist, wenn wir nicht darauf achten und vergessen, ihm die Schüssel anzubieten. Auch nachts wacht Arthur brav auf, lässt sich über die Schüssel halten, und schläft brav weiter. Oder will spielen.

Ansonsten sehe ich in wenig Unterschiede zu Deutschland. Hier und dort gibt es Befürworter und Gegner von Impfungen, Mütter, die so schnell wie möglich abstillen, und Mütter, die drei Jahre lang stillen, sowie Eltern, die ihre Kinder vom Fernseher erziehen lassen, und Eltern, die selber Quatsch mit den Kindern machen.

Wir impfen, werden noch ein paar Monate stillen und machen selber Quatsch.