Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)
Sonnenfinsternis, Georgien in der russischen und europäischen Presse
Die Sonnenfinsternis ist zwar schon zwei Wochen her, aber dennoch einige Bilder an dieser Stelle. Der russische Wetterbericht hatte zum Glück einmal wieder nicht Recht und wir hatten eine Sonnenfinsternis vom Feinsten! Xenia hat sie mit Freunden in der Stadt von einem Dach aus beobachtet, ich war mit meinen Kollegen am Stausee des Ob. Beeindruckend war es überall.
Das Thema der letzten Tage ist natürlich der "Friedenseinsatz der russischen Armee" in Südossetien, angesichts der "humanitären Katastrophe" dort. In den ersten Tagen der Kämpfe in Georgien kam man sich als russischsprechender Europäer vollkommen veralbert vor. Auf der einen Seite die deutschen Nachrichten, auf der anderen die russischen. Die Texte waren nahezu identisch, nur Gut und Böse waren ausgetauscht.
Während die deutschen Medien mit der Zeit etwas objektiver wurden (wobei Agenturtexte immer noch deutlich von redaktionellen Artikeln mitdenkender Journalisten zu unterscheiden sind), bleibt die russische Presse bei klassischer Schwarz-Weiß-Malerei. Nur wenige Russen hinterfragen kritisch, warum eines der ansonsten stets verläumdeten Völker des Kaukasus plötzlich von russischen Truppen geschützt wird.
Wobei ebenso die Frage gestellt werden sollte, warum die europäische Presse die russische Meldung von dunkelhäutigen Kämpfern auf georgischer Seite nicht aufgreift. Also auch nicht dementiert - wie andere Meldungen, beispielsweise zu den offensichtlich überhöhten Opferzahlen aus dem Kreml.
Eine endgültige Meinung zu Georgien zu finden, ist angesichts der zwei Sichtweisen, die sich mir so bieten, besonders schwierig. Die Öl-Pipeline durch Georgien wird oft ins Spiel gebracht - diese versorgt aber nur wenig einflussreiche Länder am Schwarzen Meer. Mein Standpunkt ist, dass Russland mit vielen kleinen Nadelstichen Georgien so lange provoziert hat, bis deren eigenartiger Präsident ausgeflippt ist. Damit hat er einen Krieg angefangen, der Europa ziemlich deutlich klar macht, dass man dieses Land im Moment nicht in der NATO gebrauchen kann. Somit muss Russland die nächsten zehn Jahre keine amerikanischen Raketen mehr im Kaukasus fürchten.
Traurig, dass zum Verhindern von Raketen, Kriege geführt werden müssen.