Briefe an Freunde, Novosibirsk (Norbert Schott)
Winter im astronomischen Frühling
Die Russen haben also Recht behalten, der Frühling lässt noch auf sich warten. Es sind zwar nur noch minus fünf bis minus zehn Grad, aber es schneit weiter kräftig. An den Straßenrändern türmen sich die Schneehaufen inzwischen bis zu zwei Meter.
Damit die Straßen nicht immer enger werden, gibt es spezielle Schneeauflademaschinen - rollende Förderbänder mit lustigen Schaufeln. Bei aller Automatisierung braucht man aber dennoch vier Arbeitskräfte - einer lenkt, einer hilft beim Schaufeln, einer koordiniert und einer fährt mit dem LKW den Schnee zum Fluss. (In dem dann wahrscheinlich im Sommer die fische Bauch aufwärts schwimmen.)
Automatisierung, das ist hier sowieso etwas Lustiges. Wenn irgendwo ein Foto- oder Spielautomat herumsteht, dann sitzt stets ein Mensch daneben, der die Kiste bedient. Man gibt ihm das Geld und er wirft ein Fünf-Mark-Stück ein.
Der Schnee ermöglicht natürlich vielerlei Freuden - wöchentliches Skifahren zum Beispiel. Es muss ja nicht immer im Altai sein, wo uns ein Meter Neuschnee auf der Piste begrüßte. Auch direkt am Steilufer des Ob (unser Fluss in Novosibirsk) steht ein kleiner Lift.
Diesen mag ich aber nicht mehr so sehr, seitdem die Stange, die mich schleppen sollte, so an meinen Daumen geknallt ist, dass dieser nun angebrochen ist. Immerhin habe ich den Arzt glücklich gemacht, der mir freudig erklärte, dass auch für Ausländer ein Gips in Russland kostenlos ist.
Die Polizei in Tomsk ist weiter auf der Suche nach meinem Rucksack und Mantel. Nach Vernehmung aller benachbarten Passagiere ist man sich sicher, den Dieb identifiziert zu haben. Bis dato war er aber nie zu Hause, wenn die Polizei bei ihm klopft. Aber man ist zuversichtlich, angeblich wurden im letzten halben Jahr alle Fälle dieser Polizeistation geklärt.