Briefe an Freunde, Tutujas (Norbert Schott)
Hochwasserschutzmaßnahmen des Katastrophenschutzministeriums
wir befinden uns im Hochwassergebiet, teilte uns der russische Staat mit - in Form der Dorfvorsteherin, die uns ein Merkblatt vorbeibrachte. Wichtigste Vorsichtsmaßnahme, fett gedruckt - Abschluss einer Versicherung auf den Besitz, die Gebäude und Haustiere. Wir wollten die Mäuse und wilden Katzen im Gebälk nicht versichern, andere Haustiere haben wir noch nicht bemerkt.
Ansonsten solle man alle wichtigen Gegenstände auf den Dachboden bringen, Fenster und Türen sichern, Baumaterial im Hof befestigen und Schwimmhilfen ("wenn nicht vorhanden: Balken und Bretter") vorbereiten. Für Tiere sollte gemeinsam mit den Nachbarn eine Anhöhe ausgewählt werden, wo man das Hausvieh zusammentreiben könne. Als Notunterkünfte sind drei Schulen und ein Club in der Kreisstadt vorbereitet, man solle bitte alle wichtigen Dokumente für eine mögliche Evakuierung bereitlegen.
Über eine Evakuierung wird man auf einer Radiofrequenz informiert, die kein zeitgemäßes Radio empfangen kann (69,38 MHz im OIRT-Band). Ferner würden Fahrzeuge des Kastastrophenschutzes mit Lautsprecher Informationen verbreiten - jedoch hat unser Dorf im Frühjahr gar keinen Straßenanschluss.
Sollte man vom Wasser überrascht werden, wird einem empfohlen, auf Dächer oder Bäume zu klettern und sich mit Fahnen (tagsüber) und Taschenlampen (nachts) sowie Schreien bemerkbar machen. Eine selbstständige Evakuierung wird nur in Notfällen empfohlen, man solle aber bitte unterwegs schwimmende Leute mitnehmen.
Gänzlich unbegründet ist die Warnung natürlich nicht - der Winter hat ordentlich Schnee gebracht. Nach dem letzten Schneefall am Mittwoch haben wir im Garten 1,10 Meter Schnee gemessen. Im Moment sind es zehn Zentimerter weniger, da der Schnee fortwährend unter seiner eigenen Last zusammensackt. Jeden Schneefall einzeln gemessen wären wir bei über zwei Metern.
Dennoch stand unser Haus bislang nie unter Wasser, selbst in den Jahren, als das Eis auf dem Fluss Dämme bildete, die aus Hubschraubern gesprengt werden mussten.
Interessant war noch zu erfahren, wie viele Bewohner de facto im Dorf überwintern. Während offiziell nur 23 Einwohner mit Hauptwohnsitz gemeldet sind, sind in Wirklichkeit 53 Häuser bewohnt, von 97 Personen. Sogar ein Kind wurde im Winter geboren, aber in einem anderen Teil des Dorfes - ohne Hochwassergefahr.