Briefe an Freunde, Tutujas (Norbert Schott)
Mücken und anderes gefräßiges, summendes Getier
Wir sind im Wald angekommen, in unserem alten Holzhaus, welches jahrelang nur als Sommersitz gedient hat, nun aber für hoffentlich ein ganzes Jahr unser Wohnort sein soll.
Es ist warm, tierisch warm. Mein Telefon sagt mir, dass es in Deutschland unter 20 Grad sind. Wir haben hier diese Woche 34 Grad erleben dürfen. Auch nachts sind es selten unter 20 Grad. Sibirischer Sommer - ausgleichende Gerechtigkeit für den Winter.
Wobei, angenehm sind 34 Grad in sibirischen Wäldern nicht wirklich. Ganz im Gegenteil - ich bin der Meinung, dass man bei der traditionellen Verbannung nach Sibirien nicht die Kälte als Strafe ansah, sondern die Mücken! Wenn es in Deutschland unter 20 Mücken im Radius von einigen Metern gibt, so sind es im sibirischen Wald nicht nur 34 (siehe oben), sondern eher 340. Es summt immer und überall. Man muss schon im Fluss tauchen, um mal kurz Ruhe zu haben.
Man hat also die exzellente Auswahl, bei 34 Grad in langärmliger Kleidung zu schwitzen oder sich den freien Oberkörper vollkommen zerstechen zu lassen. Und es greifen nicht nur Mücken an, sondern auch Kriebelmücken (machen Löcher in die Haut, spucken Antigerinnungsmittel rein und trinken dann in Ruhe), Bremsen (machen riesige Flatschen und schwirren ewig um den Kopf rum), Wespen, Hornissen sowie ab und zu auch wildgewordene Bienen vom Nachbarn (attackieren zum Glück eher langhaarige Frauen).
Nachts finden sie irgendwie winzige Lücken, um ins Haus zu kriechen. Die Auswege sind ein abschaltbares Gehör (Summen lässt sich bei mir aber nicht ausblenden), ein Mückennetz (fällt mir ständig ins Gesicht) oder ein wundersamer kleiner Stecker, den man mit "Fumitox" genannten Plättchen gefüllt, in die Steckdose steckt. Plötzlich fallen die Mücken von den Wänden. Nach einer schlaflosen Nacht und einer rotgefleckten Wand haben wir uns - trotz des nicht gerade natürlich klingenden Namens - für Fumitox entschieden.