Briefe an Freunde, Tutujas (Norbert Schott)

Tagesablauf im Dorf

10. Juli 2012

Wie läuft so ein Tag mit zwei kleinen Kindern im russischen Dorf ab?

Erster Tagesordnungspunkt ist irgendwann zwischen 1 und 5 Uhr, dass sich Jan zur Raubtierfütterung meldet. Der Rest der Familie begehrt erst gegen 9 Uhr zu Essen. Für mich gibt es - soweit bin ich der Zivilisation noch nicht entflohen - Nutellabrote, der Rest der Familie isst "Kascha" (Brei) - aus Haferflocken, gemahlenem Mais, Roggenflocken, Weizenflocken, Buchweizenflocken oder Gries. Milch kaufen wir beim Nachbarn, frisch von der Kuh.

Nach dem Frühstück gehen wir spazieren - durch das doch recht ausgedehnte Dorf, zum Kräutersammeln in den Wald, zum Baden an den Fluss. Wahlweise bleibt auch einer von uns am Haus und widmet sich dem Unkraut im Garten, dem Kartoffeln-Hacken, dem Beeren-Sammeln oder ähnlichen Tätigkeiten. Interessant ist, dass Mücken und Fliegen zwischen spazierenden und arbeitenden Menschen unterscheiden können - der arbeitende Mensch hat beide Hände in Verwendung und kann sich nicht wehren. Er ist also das bessere Opfer.

Mittagessen - was man halt so isst. Salat aus dem Garten, Kartoffeln aus dem städtischen Vorratskeller, Fleisch aus dem Tiefkühlfach. Wegen einem Jahr schaffen wir uns natürlich keine eigene Kuh oder Hühner an, wie sie die wenigen verbliebenen echten Einwohner im Dorf noch haben.

Arthur schläft dann eine Runde, oder auch nicht. Wir nutzen die Zeit zu diversen Arbeiten am Haus, zum Wäschewaschen (mit der Hand) oder ähnlichem.

Abends geht es noch einmal spazieren oder noch einmal zur Gartenarbeit. Oder wir heizen die Banja an . Wasser von der Pumpe zum Wasserbehälter am Ofen tragen, Asche aus dem Ofen wegbringen, anheizen, kaltes Wasser zum Abkühlen bereitstellen.

Abendbrot, Banja, vielleicht noch eine "Sendung mit der Maus" aus der Konserve für Arthur - und dann geht Xenia mit den Kindern schlafen. Ich bringe noch den Haushalt in Ordnung - Geschirr spülen (den Geschirrspüler vermisse ich wirklich), Biomüll zum Komposthaufen bringen, Herd putzen und Wasser für den nächsten Tag von der Pumpe holen und im Haus bereitstellen.

Wenn das Internet tagsüber stabil genug war, dann kann ich nun noch etwas in meiner digitalen Tageszeitung blättern, die mein mobiles Endgerät heruntergeladen hat. Online gehen wir über eine Antenne, die an einem hohen Stab über dem Dach hängt - Internet wie in den 90er Jahren. Für ein Megabyte warten wir manchmal einige Minuten. Manchmal kann man aber auch Skypen, für wenige Minuten und natürlich ohne Video.

Am Wochenende läuft es etwas anders ab. Dann sind auch meine Schwiegereltern da und es gibt deutlich mehr zu tun. Die letzten Wochen haben wir ein neues Nebengebäude zum Kochen und Essen im Sommer gebaut ("Sommerküche"). Letztes Wochenende musste die Banja aufgerichtet werden, die der Sumpfboden jedes Frühjahr nach der Schneeschmelze in irgendeine Richtung in die Tiefe ziehen will. Eine simple Dusche haben wir ebenso aufgebaut.

Einige Stunden pro Woche arbeite ich auch noch - weswegen wir vor allem die oben erwähnte Antenne benötigen. Man soll sich ja nicht zu sehr an die Freiheiten des Dorflebens gewöhnen.